Der Petersplatz an diesem Donnerstag Der Petersplatz an diesem Donnerstag 

Wenn das Vorkonklave Pause macht

Im sogenannten Vorkonklave gibt es an diesem Donnerstag eine Pause: Wegen des Maifeiertags – der auch das Fest des hl. Josef, des Arbeiters, ist – treten die Kardinäle erst am Freitag wieder zusammen.

Aber was ist das eigentlich genau, dieses Vorkonklave? Fragen an unseren Kollegen Stefan v. Kempis.

„Der Begriff ist irreführend – es gibt nämlich kein Konklave, keine Papstwahl bis zu dem Moment, in dem sich die Türen der Sixtinischen Kapelle hinter den wahlberechtigten Kardinälen schließen. Was man Vorkonklave nennt, sind in Wirklichkeit die sogenannten Generalkongregationen der Kardinäle (und zwar aller Kardinäle, nicht nur der zur Papstwahl berechtigten) in den Tagen der Sedisvakanz, also vom Tod oder Rücktritt eines Papstes bis zum Beginn des Konklave. Und in dieser Phase stecken wir gerade: Am Mittwoch hat in der vatikanischen Synodenaula die siebte Generalkongregation stattgefunden, am Freitag folgt die achte.“

Es gibt aber doch ein Element, das die Generalkongregationen dem Konklave vergleichbar macht: nämlich die Pflicht zur Verschwiegenheit…

„Ja, das stimmt. Die Beratungen der Kardinäle über den künftigen Kurs der Kirche und über das gewünschte Profil des nächsten Papstes finden hinter verschlossenen Türen statt. Allerdings wird das mit der Verschwiegenheit nicht ganz so streng gehandhabt wie später im Konklave; der Münchner Kardinal Reinhard Marx berichtete am Samstag nach der Beerdigung von Papst Franziskus freimütig, er habe davon gesprochen, dass ein künftiger Papst „den Menschen Hoffnung geben“ muss, und Vatikansprecher Matteo Bruni hat sich am Mittwoch vor Journalisten auch inhaltlich eingelassen; es sei in den Redebeiträgen u.a. um die Sorge vor Polarisierung und Spaltungen innerhalb der Kirche gegangen.“

„Das ist der Moment der Andeutungen, der Spekulationen, der Interpretation kryptischer Kardinalsbemerkungen“

Dürfen die Kardinäle in diesen Tagen vor dem Konklave Interviews führen?

„Ja, das dürfen sie, und das tun sie auch ausgiebig! Im Vorkonklave 2005 nach dem Tod von Johannes Paul II. hatte Kardinal Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., ein Interviewverbot für die Kardinäle durchgesetzt, aber davon ist diesmal keine Rede. Klar, dass jede Äußerung eines Kardinals jetzt von den Medien darauf abgeklopft und abgehorcht wird, ob das etwas über die Wahl des nächsten Papstes sagt. Und natürlich nutzen Kardinäle nicht nur Interviews als Bühne, sondern auch die Predigten bei Messfeiern, u.a. bei den Trauergottesdiensten, die jetzt jeden Abend um 17 Uhr im Petersdom, im Beisein aller Kardinäle, für den verstorbenen Papst Franziskus gehalten werden. Also, das ist der Moment der Andeutungen, der Spekulationen, der Interpretation kryptischer Kardinalsbemerkungen. Am unbefangensten können natürlich die Kardinäle sprechen, die gar nicht mehr wahlberechtigt sind, etwa der über neunzigjährige Deutsche Walter Kasper. Der findet in einem Gespräch mit dem ‚Corriere della Sera‘ von diesem Donnerstag, dass die überwältigende öffentliche Anteilnahme nach Franziskus‘ Tod doch eine Art ‚Wahl des Volkes‘ gewesen sei – der klar erkennbare ‚Wunsch, dass der nächste Papst im Wesentlichen auf der Linie von Franziskus liegen möge‘, was die ‚Nähe zu den Frauen und Männern unserer Zeit, zu allen‘ angehe.“

Wenn das Vorkonklave mal Pause macht: Ein Kollegengespräch von Radio Vatikan

An diesem Donnerstag gibt es keine Generalkongregation – was machen die Kardinäle stattdessen?

„Viele werden die Gelegenheit nutzen, sich einfach mal besser kennenzulernen. Sich diskret zu treffen und auszutauschen, in einem Restaurant, in einem Kurienbüro, einer Botschaft, in einem der vielen römischen Priesterheime oder Ordenszentralen. Oder auch im Umland von Rom. Man muss bedenken, dass die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle diesmal so hoch ist wie noch nie in der Neuzeit: Nach jetzigem Stand werden 133 Papstwähler in die Sixtina einziehen. Und viele von ihnen kennen sich schlicht und einfach nicht – das liegt daran, dass der argentinische Papst ganz systematisch rote Hüte an die Ränder der Welt, an die Peripherien, vergeben hat, von Ulan Bator über Juba bis Tonga. Die wahlberechtigten Kardinäle kommen aus nicht weniger als 71 Nationen; da braucht es ein bisschen Zeit, um sich kennenzulernen. Zumal es ja außerhalb der Sedisvakanz-Zeit so gut wie keine Gelegenheit gibt, bei der sich mal alle Kardinäle treffen. Also, heute wird diskret beraten; und nicht selten ist bei so einem vertraulichen Treffen schon mal eine wichtige Vorentscheidung zur Papstwahl gefallen.“

Historischer Konklave-Plan
Historischer Konklave-Plan   (© Biblioteca Apostolica Vaticana)

„Seit dem 14. Jahrhundert gab es jahrhundertelang sogenannte Wahlkapitulationen“

Gab es so etwas wie ein Vorkonklave eigentlich immer schon?

„Wenn wir den Begriff besonders weit fassen und damit allgemein Beratungen über den nächsten Papst meinen, dann ja; es wurde im Lauf der Geschichte nie einfach in eine Kapelle gestapft und abgestimmt. Seit feststeht, dass nur Kardinäle das Recht zur Papstwahl haben – wir reden hier vom Jahr 1059, da gab es ein entsprechendes Dekret von Nikolaus II. –, seit diesem Zeitpunkt hat es immer in der einen oder anderen Form so eine Art ‚Wahlkampf‘ gegeben. Aus meiner Sicht – aber das ist eine Interpretationsfrage – gibt es etwas mit den Generalkongregationen Vergleichbares seit der Mitte des 14. Jahrhunderts. Damals residierten die Päpste im südfranzösischen Avignon…“

Was genau passierte damals?

„Vor dem Konklave von 1352 musste jeder der 25 teilnehmenden Kardinäle schwören, dass er, falls ihm die höchste Würde zukommen sollte, bestimmte, schriftlich niedergelegte Maßnahmen zugunsten des Kardinalskollegiums durchführen werde. Das war eine sogenannte ‚Wahlkapitulation‘, die allerdings nichts mit der Kapitulation, wie wir sie heute verstehen, gemein hat – es sei denn, man nähme sie als ein Vorab-Hissen der weißen Fahne durch den künftigen Mann an der Spitze. Das war damals die erste, aber bei weitem nicht die letzte ‚Kapitulation‘ in einem Konklave, doch der gewählte Papst Innozenz VI., ein Franzose, beschloss damals, sich darüber hinwegzusetzen, und das haben später auch die meisten seiner Nachfolger so gehalten. Über Jahrhunderte hinweg gab es vor jeder Papstwahl so eine ‚Kapitulation‘, und oft war sie eine Plattform für wichtige Reformideen – aber zum einen wurden die Texte in der Regel vom gewählten Papst in den Papierkorb geworfen, und zum anderen wurden die ‚Kapitulationen‘ auch dadurch entwertet, dass hier manchmal zu offensichtlich versucht wurde, den Kardinälen Privilegien zuzuschanzen. Bei den Papstwahlen des 20. und 21. Jahrhunderts haben Wahlkapitulationen nach allem, was man weiß, keine Rolle mehr gespielt, stattdessen bieten die Generalkongregationen eine Möglichkeit für Vorab-Absprachen.“

„Kardinäle tragen Mitverantwortung für die Leitung der Weltkirche, und diese Mitverantwortung erlischt nicht mit dem vollendeten achtzigsten Lebensjahr“

Und wie verbindlich ist das, was die Kardinäle da befinden, für den, der dann zum Papst gewählt wird?

„Das hängt vom Gewählten ab. Franziskus hat es ernstgenommen und mehrmals deutlich gemacht, dass er das, was im Vorkonklave 2013 besprochen wurde, als ein Mandat zu Reformen deutete. Übrigens hat er als Papst auch erlaubt, dass seine Rede aus dem Vorkonklave veröffentlicht wurde.“

Warum dürfen eigentlich auch die über 80-jährigen Kardinäle am sogenannten Vorkonklave teilnehmen? Die sind doch gar nicht wahlberechtigt…

„Rein sachlich kann man darauf antworten: Kardinäle tragen Mitverantwortung für die Leitung der Weltkirche, und diese Mitverantwortung erlischt ja nicht in dem Moment, in dem sie die Altersgrenze zur Teilnahme an einem Konklave überschreiten. Man beobachte doch nur mal, wie trittsicher und bewegend Kardinal Giovanni Battista Re als Dekan des Kardinalskollegiums beim Requiem für den verstorbenen Papst gepredigt hat; man konnte danach viele bewundernde Kommentare hören. Dabei ist der Mann schon 91 Jahre alt. Übrigens leitet Re auch die Generalkongregationen – obwohl er aus Altersgründen gar nicht in der Sixtina mitwählen darf. Es gibt aber wohl noch einen anderen Grund für dieses Mitreden der Senioren: Als Paul VI. (1963-78) die Altersgrenze der Wähler auf achtzig Jahre festlegte, gab das damals viel böses Blut. Da war es auch eine Art Trostpflaster, den über 80 Jahre alten Kardinälen die Teilnahme an den Generalkongregationen zu erlauben.“

„Viele Live-Übertragungen aus dem Petersdom“

Warum wurde die Altersgrenze für Papstwähler denn überhaupt eingeführt?

„Der unmittelbare Anlass lag wohl darin, dass am Konklave von 1963 auch ein älterer Kardinal teilnahm, der an Alzheimer litt und fest davon überzeugt war, dass er sich gerade im Konklave zuvor, also dem von 1958, befinde. Das hat Kardinal Montini, als er dann gewählt wurde (Paul VI.), dazu bewogen, bei 80 einen Schnitt zu setzen. Da spielten aber auch noch andere Faktoren mit hinein. Zum einen waren damals die Umstände in einem Konklave noch sehr beschwerlich; die Papstwähler waren noch nicht in der Casa Santa Marta untergebracht (die gab es noch gar nicht), sondern in zusammengezimmerten Holzverschlägen im Apostolischen Palast rund um die Sixtinische Kapelle. Die Bedingungen waren ganz primitiv, geradezu prekär; das war für die älteren Kardinäle sehr beschwerlich, und es kam auch immer wieder zu gesundheitlichen Krisen. Darum schieben ja auch jetzt immer zwei Ärzte Bereitschaftsdienst in Reichweite der Papstwähler. Und außerdem war, seit Johannes XXIII. (1958-63) eine Beschränkung in der Zahl der Kardinäle aufgehoben hatte, die Zahl der Kardinäle stark angestiegen – heute liegt sie auf einem Höchststand –, und man muss bedenken: Die wahlberechtigten Kardinäle müssen alle irgendwie in die Sixtina passen, ohne dass es allzu eng ist. Das ist beim bevorstehenden Konklave mit voraussichtlich 133 Teilnehmern schon eine ziemliche Herausforderung…“

Wir haben jetzt viel von Vertraulichkeit gesprochen, von Treffen hinter verschlossenen Türen – aber gibt es auch Momente jetzt im Vorkonklave, die nicht geheim sind und die vor aller Augen stattfinden?

„Ja. Das sind vor allem die Trauermessen in St. Peter, jeden Abend um 17 Uhr – die werden von uns und unseren Partnersendern auch live mit Kommentar in deutscher Sprache übertragen. Dann werden wir am Mittwoch, 7. Mai, vormittags natürlich auch die große Messe im Petersdom für den zu wählenden Papst live übertragen, und am Nachmittag desselben Tages, um 16.30 Uhr, den Einzug der Papstwähler ins Konklave. Da gehen dann die Türen zu, und ab dem Moment ist dann alles wirklich geheim…“

(vatican news)

* Stefan v. Kempis hat Anfang April ein Buch über die Geschichte des Konklave veröffentlicht: Weißer Rauch und falsche Mönche – Eine andere Geschichte der Papstwahl. Herder Verlag, ca. 25 Euro.
 

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01. Mai 2025, 11:20