Würde stärken, Orientierung geben - Flüchtlingsberatung in Deutschland
Von Christine Seuss und Sr. Sandra Friedrich SJE
Während vielerorts die Angst vor „Überfremdung“ wuchs, entschieden sich die Eucharistinerinnen in Oberkotzau, dem entgegenzuwirken. Deshalb entsandten sie eine Schwester in die Arbeit mit Geflüchteten, um ihnen die Hand zu reichen, Hoffnung, Orientierung und Mitmenschlichkeit zu schenken und Wege des Miteinanders anzubahnen.
Die vielen Felder der Benachteiligung geflüchteter Menschen lagen auf der Hand: ungewisse Zukunft, Angst, Ablehnung, Überforderung, die Last von Arbeitslosigkeit oder Arbeitsverboten, wertlose oder vollständig fehlende Bildung, Trennung, Traumatisierung, Sprachschwierigkeiten, kulturelle Missverständnisse, scheinbare Willkür… Jeder einzelne Punkt wäre schon für sich genommen geeignet, um jedes gesunde Selbstbewusstsein ins Wanken zu bringen und eine gute Ankunft im neuen Land zu erschweren. Manche stürzt es gar in Verzweiflung, besonders, wenn sich die Entscheidung über ein sicheres Aufenthaltsrecht über Jahre hinzieht, oder am Ende ganz verweigert wird und die Abschiebung in ein Land droht, in dem man in den eigenen Augen mit dem sicheren Tod konfrontiert ist.
Das sind die Menschen, die zu Sr. Sandra kommen. „Für einfache Fragen gibt es genug Stellen, wo man hingehen kann. Aber wenn es wirklich schwierig ist, dann schicke ich die Menschen zu Ihnen!“ meinte einmal eine Mutter, deren Abschiebetermin bereits feststand und die dann doch bleiben konnte. „Wenn niemand mehr helfen kann, dann braucht man Allah. Und der ist bei Ihnen!“ sagte ihr ein muslimischer Flüchtling, der große Angst um seine Familie hatte.
Alle hoffen auf Auswege aus ihren Sackgassen. Nicht immer findet sich der erhoffte Weg. Doch selbst, wenn die Grundsituation nicht zu ändern ist, verlassen die Ratsuchenden den Raum gestärkt und voller Dankbarkeit. Sie wissen: Ihre Not wurde gehört und liegt nun in Gottes Hand.
Um in diesen Situationen „Pilger der Hoffnung“ zu sein, versucht Sr. Sandra, den Weg der Hoffnungslosigkeit und Angst ein Stück weit mitzugehen und lädt dazu ein, den Abzweigungen der Stärkung und des Lichtes zu folgen – Perspektiven zu wechseln und die Flüchtlinge durch ein tieferes Verständnis ihrer Lage handlungsfähig zu machen. Dazu braucht es eine gute Portion der Offenheit für andere Kulturen und Denkweisen, fundiertes rechtliches Wissen und eine gute Kenntnis behördlicher Zuständigkeiten. Dann kann es mit viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gelingen, zwischen den Welten der Flüchtlinge, der allgemeinen deutschen Realität und den bürokratischen Anforderungen zu vermitteln. Der Heilige Geist ist da manchmal der beste Übersetzer!
Dieser Einsatz in der Völkerverständigung steht ganz in der Tradition des seligen Bischofs Georg Matulaitis, des Gründers der Eucharistinerinnen: Seine humanitären Hilfsangebote im kriegsgeplagten Osteuropa zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollten immer allen Notleidenden, ungeachtet ihrer Herkunft, zuteilwerden. Er hatte dabei immer die Einheit der Völker in ihrer Vielfalt im Sinn und pflegte eine große Wertschätzung gegenüber allen Sprachen und Traditionen in seinem Bistum. Damit trug er viel zur Anbahnung von Frieden und Wegen der Versöhnung bei.
Mit ihrem kleinen Beitrag in der Flüchtlingshilfe hofft Sr. Sandra, dass sie dem Nährboden von Gewalt und Hass die Kraft entzieht: Wer auf Verständnis stößt, verfällt nicht in Hass. Wer Gutes erfährt, ist bereit, Gutes zu Tun. Wer Zukunft sieht, kann leben. Leid schafft nur um so größeres Leid, wenn es nicht auf den Weg der Vergebung und der Versöhnung geführt wird.
Auch dies klingt immer wieder in den Beratungsgesprächen an. Die Sehnsucht nach der Nähe Gottes ist groß. In Deutschland scheint er oft weit weg zu sein, so die Aussage eines weiteren Flüchtlings: „Weil die Deutschen nie von ihm sprechen.“ Umso wichtiger, dass Gott in Jesus Christus greifbar wird – gerade durch die Menschen, die ihn täglich in der Eucharistie empfangen. Und so enden die Beratungsgespräche bei Sr. Sandra auch immer wieder mit der Frage nach dem Ursprung der Hoffnung, die sie gerade empfangen haben.
Beim Anblick ausgemalter Darstellungen der sieben Werke der Barmherzigkeit bekannte ein gläubiger Muslim, dem eine Sicherheitsüberprüfung bevorstand: „Das ist Djihad: Der Heilige Krieg, den Gott wünscht. Durstigen zu trinken geben, Kranke besuchen, Tote begraben…“ aus diesem Blickwinkel hatte Sr. Sandra diese Bilder noch nie betrachtet. Vor dem Beratungsgespräch war sie etwas angespannt, was sie wohl erwarten würde, wenn der Staat bei diesem sehr dankbaren und vertrauenswürdigen Menschen Sicherheitsbedenken habe. Hinterher blieb die Freude über das geschenkte Vertrauen und die Fähigkeit, angstfrei aufeinander zugehen und zuhören zu können, statt Mauern zu bauen. So kommt Frieden in die Welt.
Das Engagement der Schwesterngemeinschaft der Dienerinnen Jesu in der Eucharistie in der Flüchtlingsberatung ist ein Beitrag zum Auftrag der Kirche, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen und hier das Licht des Glaubens zu verbreiten.
Hilfe durch Sparmaßnahmen gefährdet
Die Arbeitsstelle in der Flüchtlings- und Integrationsberatung ist beim Caritasverband für Stadt und Landkreis Hof angesiedelt und wird durch das bayerische Staatsministerium des Innern und Eigenmittel der Caritas finanziert. Durch Sparmaßnahmen der Regierung sind Beratungsstellen dieser Art in allen Bereichen des deutschen Soziallsystems stark gefährdet und damit der Überforderung von Menschen in Notlagen und dem daraus entstehenden sozialem Unfrieden Tür und Tor geöffnet, denn zusätzlich zu der erdrückenden Not würde vielen der Zugang zu bestehenden Hilfsangeboten fehlen: In dem sehr ausdifferenzierten deutschen Rechtssystem bleiben Notleidenden die Türen ohne zugängige spezialisierte Beratungsstellen verschlossen, weil sie den Anforderungen aus unterschiedlichsten Gründen nicht nachkommen können.
„Was die Zukunft bringt, liegt in Gottes Hand und wir dürfen an seinem Werk mitwirken“, meint Sr. Sandra abschließend. „Als Dienerinnen Jesu in der Eucharistie führt uns seine Hand überall dort hin, wo sein Opfer gegenwärtig ist und das Zerbrochene zu einer neuen Einheit findet. Das ist gelebte Eucharistie, die in der liturgischen Eucharistiefeier beginnt und das ganze Leben durchzieht, egal an welchem Einsatzort.“
(vatican news)
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