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Dezember 2023: Iranischer Botschafter Mohammad Hossein Mokhtari bei Franziskus im Vatikan Dezember 2023: Iranischer Botschafter Mohammad Hossein Mokhtari bei Franziskus im Vatikan   (Vatican Media)

Franziskus und Islam: Abgrenzung ja, aber in Beziehung

Im Gespräch mit dem Islam habe Franziskus gezeigt, dass zeitgemäßes religiöses Handeln „nicht nur Abgrenzung ist, sondern durch Beziehung wirksam wird“. Das hebt der islamische Theologe Kurt Tugrul hervor, der in Wien lehrt.

Aus muslimischer Perspektive bleibt nach Franziskus‘ Tod nicht nur die Erinnerung an eine bedeutende Persönlichkeit der Gegenwart, „sondern auch das intellektuelle wie spirituelle Vermächtnis einer Amtsführung, die institutionelle Autorität mit moralischer Glaubwürdigkeit zu verbinden wusste“. So würdigte der Wiener islamische Theologe Kurt Tugrul Franziskus‘ Erbe.

Vielfach anschlussfähig

Bei genauerer Betrachtung lasse sich eine weitreichende Anschlussfähigkeit des Amtsverständnisses und der Amtsführung von Papst Franziskus zur islamischen Theologie feststellen, so Tugrul im Gastbeitrag für „communio.de“. Er ist seit 2024 Professor am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien.

Franz von Assisis Dialog

Schon die Namenswahl (Franziskus) habe programmatische Bedeutung gehabt. So wie Franz von Assisi (1226) für denkwürdige interreligiöse Dialog-Begegnungen etwa mit dem Sultan al-Mlik al-Kmil 1219 stand, so bezog sich Franziskus etwa in Laudato si' ausdrücklich auf einen ägyptischen Sufi-Gelehrten und habe so eine „theologische Offenheit“ signalisiert, „die die islamische Mystik nicht lediglich respektiert, sondern inhaltlich rezipiert“, so Tugrul.

Reformverständnis

Anschlussfähig zeige sich Papst Franziskus für die islamische Theologie außerdem im Blick auf sein Verständnis von Reform: Eine Reform kirchlichen Denkens und Handelns könne sich dem Papst zufolge nicht in strukturellen Veränderungen oder funktionalen Eingriffen erschöpfen - sie müsse bekannterweise Mission, Nähe, Verkündigung in den Mittelpunkt stellen und sich im persönlichen Leben zeigen.

Dieses persönliche Lebenszeugnis habe sich bei Franziskus als Zeugnis eines Lebens in Einfachheit, Nähe zu den Menschen und im Verzicht auf Zeichen der Macht dargestellt. Gleiches gelte auch für den Islam bzw. die islamische Theologie, die sich der Frage stellen müsse, wie sich „religiöse Autorität unter den Bedingungen moderner Öffentlichkeit“ gestalten lasse.

Differenz kein Defizit

Einen entscheidenden „Paradigmenwechsel“ machte Tugrul schließlich in der viel beachteten Erklärung zur Universalen Geschwisterlichkeit aller Menschen von Abu Dhabi 2019 aus. In der von Papst Franziskus und dem Kairoer Großimam Ahmad Al-Tayyeb unterzeichneten Erklärung sei „bewusst auf jede Form doktrinärer Harmonisierung“ verzichtet worden - zugunsten einer „dialogischen Haltung“, die Unterschiede nicht nivelliere.

Dies habe einen Raum eröffnet, „in dem religiöse Differenz nicht als Defizit, sondern als produktive Spannung begriffen werden kann“: eine Haltung, die u.a. in der nicht nur räumlichen und institutionellen Nähe der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät und des Instituts für Islamisch-Theologische Studien Früchte trägt, sondern auch im wertschätzenden Umgang miteinander.

Abgrenzung ja, aber in Beziehung

Franziskus sei damit aus islamisch-theologischer Sicht zwar „keine Referenzfigur im dogmatischen Sinne“, wohl aber ein „Gesprächspartner im weiteren Sinne verantworteter religiöser Präsenz“, der gezeigt habe, dass zeitgemäßes religiöses Handeln „nicht nur Abgrenzung, sondern durch Beziehung wirksam wird“, so Tugrul.

(kap -pr)
 

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24. April 2025, 11:59