12 Jahre Pontifikat: Franziskus und die Frauen im Vatikan
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
In der letzten Phase seines Pontifikats traf Franziskus im Vatikan Personalentscheidungen, die überraschten. So leitet auf seine Ernennung hin seit März 2025 die Ordensfrau Raffaella Petrini das vatikanische Governatorat, die „Stadtverwaltung“ des Papststaates. Sie war bereits Generalsekretärin gewesen und trat nun an die Stelle ihres Vorgesetzten Kardinal Fernando Vérgez Alzaga, als dieser die Altersgrenze von 80 Jahren erreichte.
Ähnlich und noch bedeutsamer verhielt es sich am Dikasterium für das geweihte Leben. Auch dort rückte die bisherige „Nummer zwei“ an die Stelle ihres emeritierten Vorgängers, eines Kardinals, auf: Mit der Ordensfrau Simona Brambilla setzte Papst Franziskus im Januar 2025 die erste Präfektin der Kurie ein. Zugleich ernannte er für dieselbe Behörde einen „Pro-Präfekten“ im Kardinalstand, den Spanier Ángel Fernández Artime. Bis dahin galt in der Geschichte der Kurie die Norm, dass Kardinäle und Erzbischöfe Kurienbehörden leiten und Laien, darunter Frauen mit und ohne Ordensgelübde, mitarbeiten. Franziskus war der Papst, der diese Ordnung an der Römischen Kurie 2025 zum ersten Mal umkehrte. Abgesichert hatte er den Schritt mit seiner Kurienreform und deren Grundlagendokument „Praedicate Evangelium“ von 2022. Seither können Kardinäle unter Frauen dienen. Zumindest im Vatikan.
Dass Franziskus die beiden Frauen in die Leitungsebene direkt unter ihm einsetzte, ist indes nur der sichtbarste Punkt einer Entwicklung, die ihn die zwölf Jahre seines Pontifikats hindurch beschäftigte. Der Papst aus Lateinamerika war davon überzeugt, dass gemischte Teams besser arbeiten und zu besseren Ergebnissen kommen. Er wünschte sich mehr Frauen unter seinen Angestellten. Langsam, aber stetig, stieg ihr Anteil.
Wie viele Frauen heute im Vatikan?
Zum Zeitpunkt des Todes von Franziskus ist einer von vier Angestellten im Vatikan weiblich, wie eine Nachfrage von Vatican News bei den zuständigen Personalbehörden im Papststaat ergab: Zum Jahresende 2024 arbeiteten exakt 1.318 Frauen für den Papst, das entspricht 24 Prozent bei einer Gesamtbelegschaft von 5.496 Angestellten. Als Papst Franziskus im März 2013 antrat, hatte er nur 846 weibliche Angestellte, was damals gut 19 Prozent entsprach. Auffallend ist, dass das Plus der Frauen im Pontifikat Franziskus hauptsächlich auf den Heiligen Stuhl zurückgeht, also auf die im Namen des Papstes für die Weltkirche tätigen Einrichtungen im Vatikan. Am Governatorat wuchs der Anteil der Frauen unter Franziskus nur mäßig, von 18 auf 20 Prozent. Beim Heiligen Stuhl aber übernimmt der Nachfolger von Papst Franziskus eine Belegschaft, die heute aus 26 Prozent Frauen besteht. Als Franziskus antrat, waren es ebenfalls nur 18 Prozent gewesen.
Ohne Eile immer mehr Frauen in Top-Positionen
Nach und nach, ohne Eile, berief Franziskus Frauen in leitende Positionen, im Vatikanstaat wie auch in der Römischen Kurie. Barbara Jatta wurde Direktorin der Vatikanischen Museen. Beim Heiligen Stuhl sah man immer mehr Untersekretärinnen, das ist die dritte Hierarchieebene in einem Papst-Ministerium: Linda Ghisoni und Gabriella Gambino – beide verheiratet und Mütter, ein Novum für vatikanische Führungskräfte - wurden Untersekretärinnen am Dikasterium für Laien, Familie und Leben. Natasa Govekar gelangte in eine vergleichbare Position in der Medienbehörde, Schwester Carmen Ros Nortes wurde Untersekretärin an der Ordensbehörde, die nun - bis zum Tod des Papstes, zu dem fast alle Spitzenämter der Kurie erlöschen - eine Präfektin hatte, Schwester Nathalie Bequart wurde Untersekretärin an der Bischofssynode. Zwischenzeitlich ernannte der Papst auch eine Untersekretärin am Staatssekretariat, die für Multilateralismus zuständige Francesca Di Giovanni, und eine weitere, Antonella Sciarrone Alibrandi, am Dikasterium für Kultur und Bildung. Schwester Alessandra Smerilli berief Franziskus in die Funktion des Sekretärs - Nummer zwei - des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen.
Frauen, wo bisher bloß Bischöfe waren
Darüber hinaus ernannte Franziskus die ersten Frauen als Mitglieder in Kurienbehörden, wo zuvor ausschließlich Bischöfe und Kardinäle wirkten. Am Bischofsdikasterium, das für den Papst Bischofsernennungen in der Weltkirche vorbereitet, befinden seit 2022 drei Frauen mit über die Auswahl der Kandidaten. Das Stimmrecht gewährte Franziskus aber auch den Frauen bei der Bischofssynode zum Thema Synodalität 2022 bis 2024. Nicht weniger als 54 weibliche Delegierte stimmten mit über das Schlussdokument ab, das der Papst anschließend eins zu eins in sein päpstliches Lehramt übernahm.
Franziskus war ein Bischof von Rom, der Frauen schätzte, sie fallweise auch auf ein Podest hob, das sie nicht suchten. Die Priesterweihe für Frauen hielt er für den falschen Weg. Stattdessen sorgte Franziskus dafür, die Koppelung der Leitungsgewalt an die Weihe aufzubrechen, die die Kirche in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig prägte. Mit seiner Personalpolitik im Vatikan, die Frauen mehr Platz, mehr Stimme und mehr Freiraum gibt, lieferte er bis zu seinen letzten Metern den Bischöfen der Weltkirche eine Vorlage. Was sie daraus machen, wird auch vom neuen Bischof von Rom abhängen.
(vatican news – gs)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.