Papst Franziskus: Pilger des Friedens an den Peripherien der Welt
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Um politische Inszenierung ging es ihm nie. Statt in große katholische Hochburgen oder politische Zentren zog es Franziskus gezielt an Orte, die mit Armut, Krieg oder sozialer Ungerechtigkeit zu kämpfen haben. Kein Wunder also, dass ihn schon seine erste Pastoralreise im Juli 2013 nach Lampedusa führte: die italienische Mittelmeerinsel, die zum Symbol der Flüchtlingskrise geworden ist. Dort betete Franziskus für die ertrunkenen Migranten, prangerte die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ an und bezeichnete das Mittelmeer als einen „riesigen Friedhof“, auf dem „die Menschenwürde begraben wird.“
Mit seiner letzten Reise nach Korsika im Dezember 2024 schloss sich dieser Kreis. Auch in Ajaccio, der Hauptstadt der französischen Mittelmeerinsel, die noch nie zuvor ein Papst besucht hatte, stellte Franziskus einmal mehr unmissverständlich klar, dass der Mittelmeerraum inmitten der Herausforderungen der Migration, Armut und sozialen Spannungen ein Ort des Dialogs, der Integration und der Hoffnung sein müsse.
Lateinamerika: Einsatz für soziale Gerechtigkeit
Soziale Themen und die Option für die Armen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Reisen dieses Papstes vom anderen Ende der Welt. Bei seiner ersten Auslandsreise zum Weltjugendtag in Brasilien warb der Lateinamerikaner Franziskus für eine „arme Kirche für die Armen“: ein zentrales Thema seines Pontifikats. In Bolivien hielt er 2015 eine flammende Rede gegen Kapitalismus und die Ausbeutung der Armen; in Brasilien besuchte er die Armenviertel von Rio de Janeiro und rief zum Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit auf. Der Faszination der Konsumgesellschaft, der sich besonders junge Menschen in den armen Ländern Lateinamerikas nur schwer entziehen können, hielt er entgegen, dass sich der wirkliche Reichtum einer Gesellschaft an der Lebensqualität ihrer Menschen bemesse und auf den Älteren beruhe, die in der Lage seien, Weisheit und das Gedächtnis ihres Volkes an die Jüngeren weiterzugeben. Auf seinen Reisen nach Mexiko, Kolumbien und Chile traf Franziskus Indigene, Opfer von Gewalt und Gruppen, die am Rand der Gesellschaft stehen.
Auf der Seite der Schwachen
In Kanada (2022) bat Franziskus die indigenen Völker um Vergebung für das Leid, das ihnen in kirchlichen Internaten zugefügt wurde – ein schwieriger, aber notwendiger Schritt der Versöhnung. Und dass der Papst auf der Seite der Wehrlosen und Schwachen stand, zeigte sich auch bei seiner Reise nach Myanmar und Bangladesch (2017). In dem drittgrößten muslimischen Land der Welt machte Franziskus auf die humanitäre Krise der Rohingya aufmerksam und setzte sich für die Menschenrechte verfolgter Minderheiten ein.
Brückenbauer zwischen Völkern und Religionen
Ein wichtiges Anliegen war Papst Franziskus auch das friedliche Zusammenleben zwischen Religionen, Völkern und Nationen. Seine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate im Jahr 2019 markierte diesbezüglich einen historischen Meilenstein: Zum ersten Mal in der Geschichte betrat ein Papst die arabische Halbinsel. Gemeinsam mit dem Großimam von al-Azhar, Ahmad al-Tayyeb, unterzeichnete der Gast aus Rom 2019 in Abu Dhabi das historische „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen“: ein Manifest für interreligiösen Dialog und Frieden, das für eine „Kultur des gegenseitigen Respekts“ als Handlungsgrundlage des interreligiösen Dialogs wirbt und die UN-Resolution inspirierte, die den 4. Februar als internationalen Tag der Geschwisterlichkeit einführen sollte.
Auch der Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts im Irak war eine Premiere: Trotz großer Sicherheitsbedenken wollte Franziskus in dem arabischen Land, das noch nie ein Papst bereist hatte, ein starkes Zeichen der Solidarität mit den Christen im Nahen Osten setzen; dort traf er den schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani, um den interreligiösen Frieden zu fördern.
Ein wichtiges interreligiöses Zeichen hatte Franziskus auch schon 2014 gesetzt, als er gemeinsam mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. das Heilige Land besuchte und mit ihm in der Grabeskirche das Vaterunser betete: eine Geste der Versöhnung in den oft schwierigen Beziehungen zwischen katholischer und orthodoxer Kirche. Der Besuch im Heiligen Land, dem Franziskus seine ganze Amtszeit hindurch besonders verbunden blieb, sollte den interreligiösen Dialog zwischen Christen, Juden und Muslimen stärken. Die Bilder von Papst Franziskus, der vor der Klagemauer in Jerusalem einen Rabbi und einen Imam umarmte, zeigten einmal mehr, wieviel Kraft in stillen Gesten liegt.
Der Papst der „Premieren"
Als erster Papst sprach Franziskus 2015 vor dem US-Kongress in Washington, warnte vor Extremismus, einer Einschränkung bürgerlicher Freiheiten und vor Versuchen, die Welt in Gerechte und Sünder zu unterteilen. Der mit dieser Reise verbundene Besuch in Kuba (2015) spielte eine zentrale Rolle bei der Annäherung zwischen den USA und dem Karibikstaat, und zeigte einmal mehr die Bedeutung von Diplomatie und Versöhnung. Eine weitere Premiere in der Kirchengeschichte war das historische Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill 2016, das erste Treffen zwischen einem Papst und einem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche überhaupt. In der dabei unterzeichneten gemeinsamen Erklärung betonten die beiden Kirchenführer, dass Orthodoxe und Katholiken versuchen müssten, ein „einmütiges Zeugnis für die Wahrheit zu geben“.
Afrika: Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden
Mehrere Reisen führten Franziskus nach Afrika, unter anderem nach Kenia, Uganda, in die Demokratische Republik Kongo und den Südsudan (2023). Dort rief Franziskus zum Ende der Gewalt auf, besonders gegen Frauen; sprach sich gegen Korruption und Armut aus und forderte soziale Gerechtigkeit. Als er 2015 die Zentralafrikanische Republik besuchte – trotz reicher Rohstoffvorkommen eines der ärmsten Länder der Welt –, tobte dort gerade ein Bürgerkrieg. Im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit öffnete der Pontifex dort eine Heilige Pforte und setzte ein starkes Zeichen für Frieden und interreligiösen Dialog.
An die Grenzen gehen …
An die Grenzen gehen war seit jeher das Motto von Papst Franziskus – und das in jeder Hinsicht. Seit 2022 war Papst Franziskus wegen eines hartnäckigen Knieleidens immer häufiger auf den Rollstuhl angewiesen, seine Gesundheitsprobleme machten es ihm zunehmend schwerer, längere und anstrengende Reisen zu unternehmen. 2023 musste er mehrere Besuche absagen, zeigte sich aber trotzdem entschlossen, seine pastorale Mission solange wie möglich fortzusetzen.
Seine letzten großen Reisen führten ihn 2023 nach Portugal zum Weltjugendtag und in die Mongolei – ein Land mit einer schwindend kleinen katholischen Gemeinschaft. Es war eine Reise, die gezeigt hat, dass Franziskus am liebsten zu jenen ging, die sonst leicht übersehen werden.
Elf Tage, vier Länder und sechzehn Ansprachen: Auf der längsten Auslandsreise seiner Amtszeit nach Südostasien im September 2024 absolvierte der damals bereits 87jährige Pontifex noch einmal ein wahres Mammutprogramm. In seinen Ansprachen in Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur betonte er die Bedeutung von Frieden, Klimaschutz und einem respektvollen Zusammenleben.
Pilger des Friedens: Ein bleibendes Vermächtnis
Papst Franziskus hat mit seinen Reisen neue Maßstäbe gesetzt. Er hat die Menschen zusammengebracht, den Dialog zwischen den Religionen gefördert und den Schwächsten eine Stimme gegeben. Franziskus nutzte seine Reisen nicht nur für politische und interreligiöse Gespräche, sondern vor allem für die Begegnung mit den Menschen. Seine Worte und Gesten für die Armen und Unterdrückten haben aufgerüttelt und gezeigt, dass sich die Kirche nicht nur mit spirituellen, sondern auch mit sozialen und ethischen Fragen beschäftigen muss. Als „Pilger des Friedens“ hat er der Geschichte schon jetzt ein bleibendes Vermächtnis hinterlassen.
(vaticannews – skr)
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