Konklave: Ein Blick in die Geschichte
Fragen an unseren Kollegen Stefan von Kempis, der Anfang April ein Buch* zum Thema Konklave veröffentlicht hat.
Warum heißt eine Papstwahl überhaupt Konklave?
„Das kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich ‚mit dem Schlüssel‘. Im 12. Jahrhundert ist man dazu übergegangen, Kardinäle buchstäblich einzusperren, um sie zu zwingen, einen neuen Bischof von Rom zu bestimmen. Das erste Mal 1216, in Perugia; das zweite Mal 1241 in Rom. Eine Wahl, die für die Kardinäle die Hölle ist: Sie sind fünfzig Tage lang in einer Ruine auf dem Palatin weggesperrt, unter prekären hygienischen Bedingungen. Später beschweren sich einige von ihnen in einem Brief, dass „durch die Ritzen in der Decke die Exkremente der Wächter tropften, als eine stinkende Jauche“. Der Papst, auf den sie sich schließlich einigen, ist von den Strapazen dieser Wahl so geschwächt, dass er schon 16 Tage später stirbt.“
Wie kommt es denn dazu, dass das Konklave trotz dieser schwierigen Umstände doch zu dem Modell der Papstwahl wird?
„Das liegt vor allem an der Papstwahl von Viterbo, 1268-1271. Die Einwohner des Städtchens 70 km nordwestlich von Rom sind so aufgebracht darüber, dass die Kardinäle keinerlei Anstalten zu einer ernsthaften Wahl treffen, dass sie sie im Bischofspalast der Stadt einsperren, Wachen vor die Tür stellen, einen Teil des Daches abdecken und die Essensrationen kürzen. Tatsächlich können sich die 17 Kardinäle nach einer Weile dann auf einen Kompromisskandidaten einigen, einen Nicht-Kardinal. Und der (es ist Gregor X.) setzt dann 1274 auf einem Konzil in Lyon fest, dass die Papstwähler künftig immer eingeschlossen werden sollen, „so dass niemand das Gemach betreten oder verlassen kann“. Da geht es nicht nur darum, eine schnelle Wahl zu garantieren, sondern auch darum, Einwirkungen auf die Kardinäle von außen möglichst fernzuhalten.“
Ganz offiziell wird das Konklave also 1274 eingeführt – wie ist denn dann in den über tausend Jahren bis dahin ein Papst gewählt worden?
„Auf ganz unterschiedliche Weise. Der Augustiner Onofrio Panvinio, der sich im 16. Jahrhundert als erster Gelehrter ausführlich mit dem Thema Papstwahl auseinandersetzt, kommt rückblickend auf nicht weniger als achtzehn verschiedene Wahlmodi – wohlgemerkt bis in seine eigene Zeit hinein. In den Anfängen des Christentums war es üblich, dass auch das römische Volk mitbestimmte bei der Wahl seines Bischofs – neben dem höheren Klerus und den Bischöfen der rund um Rom liegenden Diözesen. Also eine Laien-Beteiligung, wie sie übrigens nicht nur in Rom, sondern generell bei der Bestellung von Bischöfen gängig war. Später riss dann die Praxis ein, dass die Mächtigen ein Wörtchen mitzureden hatten: Byzanz, Ravenna, die deutschen Kaiser. Es kam auch vor, dass Päpste selbst ihre Nachfolger designierten – oder dass Familien aus dem Umland von Rom sozusagen unter sich ausmachten, wer auf dem Stuhl Petri sitzen durfte. Typisch für die Papstwahl in den ersten Jahrhunderten ist, dass man sich zumindest um den Anschein von Einstimmig- oder Einmütigkeit bemüht. Erst 499 spricht ein Papst namens Symmachus erstmals von einem Mehrheitsprinzip. Und erst 1059 beschließt ein anderer Papst namens Nikolaus II., dass nur Kardinäle den römischen Bischof wählen dürfen.“
Warum die Kardinäle?
„Die Kardinäle hatten sich als Stand aus dem höheren Klerus von Rom entwickelt – und der war ja, zusammen mit den Bischöfen der Nachbarbistümer und dem gläubigen Volk von Rom, schon immer ein entscheidender Player bei einer Papstwahl gewesen. Der Aufstieg der Kardinäle im 11. Jahrhundert hat etwas mit der damaligen, von Cluny angestoßenen Reformbewegung in der Kirche zu tun. Und auch damit, dass es 1054 zum Bruch zwischen West- und Ostkirche gekommen ist. An diesem Punkt setzt sich das Papsttum gedanklich über das Ganze der westlichen Christenheit. Der Papst als „Stellvertreter Christi“, wie man ab Innozenz III. gegen Ende des 11. Jahrhunderts sagt – und die Kardinäle sozusagen als sein Apostelgremium.“
Und wo kommen weitere Elemente eines Konklave her, wie wir sie heute kennen – also die Zweidrittelmehrheit, die geheime Wahl, der weiße Rauch, die Sixtinische Kapelle als Wahllokal?
„Das alles hat sich erst im Lauf der Jahrhunderte entwickelt, sozusagen nach dem Prinzip trial and error. Die Zweidrittelmehrheit wird im 12. Jahrhundert vom Dritten Laterankonzil festgezurrt, um Streit über das Wahlergebnis und Gegenpäpste zu verhindern; die geheime Wahl ist sogar erst ein Kind des 17. Jahrhunderts. Da legt Gregor XV. 1621 nicht nur die schriftliche und geheime Wahl fest, sondern auch, dass jeder Kardinal nur eine Stimme abgeben und sich nicht selbst wählen darf. Und dass die Wahlgänge in der Sixtina stattfinden. Man macht sich gar keine Vorstellung, was es bei Papstwahlen im Lauf der Jahrhunderte bis dahin alles gegeben hat: Etwa, dass katholische Herrscher ihr Veto gegen einen Kandidaten einlegen (das ist sogar noch 1903 passiert!). Oder dass die Gesandten fremder Mächte in der Konklavezone ein- und ausgehen. Plötzliche, handstreichartige Akklamationen eines Kandidaten an dessen Schlafzimmertür. Die Papstwahl durch ein Konzil – in Deutschland, in Konstanz, 1417. Also, seit 1621 verläuft die Papstwahl in einigermaßen geordneten Bahnen. Seit dem 19. Jahrhundert hat man Rauchzeichen eingeführt, um die Außenwelt zu informieren – das ist also eine Tradition, die noch gar nicht so alt ist…“
(vatican news)
* Stefan von Kempis: Weißer Rauch und falsche Mönche – Eine andere Geschichte der Papstwahl. Herder Verlag, ca. 25 Euro.
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