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Kardinal Christoph Schönborn, emeritierter Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn, emeritierter Erzbischof von Wien  (Gudrun Sailer)

Kardinal Schönborn über Franziskus: Politischer Papst mit geistlichem Tiefgang

Kardinal Christoph Schönborn hat dem verstorbenen Papst Franziskus ein bleibendes geistliches Erbe attestiert. Im Gespräch mit Radio Vatikan erinnerte der emeritierte Wiener Erzbischof an zentrale Impulse des Pontifikats – etwa an die Umwelt-Enzyklika Laudato si’, an die Freundschaft mit muslimischen Religionsführern und an die politische Kraft des Evangeliums. Auch über persönliche Begegnungen sprach Schönborn – und über den Humor der letzten drei Päpste.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Franziskus habe gesät, nicht erzwungen, betont Schönborn. „Er hat Wegmarken gesetzt. Es liegt jetzt an uns, ob wir diese Wegmarken wahrnehmen.“ Das gelte für viele Bereiche, unter anderem beim Umgang mit Migranten, dem interreligiösen Dialog oder das Eintreten für den Frieden. Das Herzstück des geistlichen Vermächtnisses sieht Schönborn in einem päpstlichen Schreiben, das Franziskus schon früh im Pontifikat schrieb: Evangelii gaudium, die „Freude des Evangeliums“. Die zentrale Botschaft laute: Das Evangelium hat die Kraft zur Umkehr, zum Guten, zur Heilung.

Auch die Umwelt-Enzyklika Laudato si’ sei ein Meilenstein – und doch kein Selbstläufer, sagte Schönborn, der im Januar 80 Jahre alt wurde. Franziskus habe gesät, ob die Saat aufgehe, bleibe offen. „Wir erleben aber zurzeit, wie massiv weltweit wieder zurückgenommen wird, was hier schon gesät war.“ Gerade im Umgang mit Flüchtlingen, die Franziskus ein großes Anliegen waren, sieht Schönborn einen Prüfstein. „Werden wir in Europa zum Beispiel begreifen, dass die Zukunft Europas davon abhängt, in einem ganz entscheidenden Maß, wie wir mit diesem Thema umgehen?“

„Wenn man das Politik nennt, dann war Franziskus ein ganz politischer Papst“

Stark erinnert sich Schönborn an ein Ereignis, das symbolisch für das politische Wirken des verstorbenen Papstes stehen kann: Im Jahr 2019 hatte Franziskus die beiden führenden Politiker des Bürgerkriegslands Südsudan in den Vatikan eingeladen. Am Ende der Begegnung kniete er nieder und küsste ihnen die Füße. Für Schönborn war das ein „höchst politischer Akt“. Das Verständnis von Politik sei bei Franziskus klar: „Wenn man Politik als das sieht, was sie im Tiefsten ist, nicht eine Manipulation, sondern eine bewusste, strukturierte Pflege des Gemeinwohls – wenn man das Politik nennt, dann war Franziskus ein ganz politischer Papst.“

Hier zum Hören:

Das Werben für den Frieden sei eine ohnmächtige, aber hörbare Stimme geblieben, auch in Zeiten zunehmender Kriege. Schönborn erinnerte an die Rede des Papstes im US-Kongress, in der Franziskus die Waffenlobby kritisierte. Der Speaker des Repräsentantenhauses, der hinter ihm saß, sei in Tränen ausgebrochen. „Man hat die Tränen gesehen, die er nicht zurückhalten konnte. Das ist die Kraft des Papstes, die Herzen zu erreichen und dann zu hoffen, dass es zur Besinnung kommt.“

Miteinander ist möglich - „das ist uns jetzt anvertraut"

Nicht nur politische, auch geistliche Klarheit habe Franziskus ausgezeichnet. Besonders sein Umgang mit dem Islam sei von großem Vertrauen geprägt gewesen, etwa durch seine Freundschaft mit dem Großimam Ahmad Al-Tayyeb von der Al-Azhar-Universität oder durch die Begegnung mit dem schiitischen Großayatollah Ali al-Sistani im Irak. Der Kardinal zeigte sich überzeugt: „Dieses tiefe Vertrauen, dass ein Miteinander möglich ist in der gemeinsamen Verantwortung vor Gott und in der echten Freundschaft – das ist jetzt uns anvertraut.“

Christoph Schönborn kennt Jorge Mario Bergoglio seit den 1990er-Jahren, noch aus seiner Zeit in Buenos Aires. Damals sei ihm durch gemeinsame Kontakte – etwa eine Ordensgemeinschaft im Armenviertel – die Lebensweise des späteren Papstes bekannt geworden: „Diese Liebe zu den Armen, die Liebe zu den Priestern, die stete Verfügbarkeit für seine Priester – das sind die Dinge, die mir damals schon aufgefallen sind.“

Johannes Paul, Benedikt, Franziskus: Der Humor einte sie

Schönborn, der seit 1980 verschiedene Aufgaben im Vatikan innehatte, kannte die drei Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus gleichermaßen aus der Nähe. Er attestiert ihnen dreien einen gemeinsamen Grundzug: „Alle drei waren sehr humorvoll.“ Dieser Humor habe stets aus der Einsicht gespeist, dass sie Werkzeuge seien, nicht die Macher. „Diese Distanz zu sich selber habe ich bei allen dreien in einem ganz starken gemeinsamen Zug festgestellt.“

Zum Schluss zitiert der Kardinal eine Anekdote von Johannes XXIII., der einst als Papst nicht schlafen konnte und dann zu sich sagte: „Giuseppe, jetzt sag mir, wer leitet die Kirche? Du oder der Heilige Geist? Dann habe ich zu mir gesagt: Dann schlaf jetzt, Giuseppe, der Heilige Geist kümmert sich um die Kirche.“ Dieses Vertrauen, so Schönborn, eint die Päpste, die er persönlich kannte – und sei auch das Vermächtnis von Franziskus.

(vatican news – gs)

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25. April 2025, 19:25